Decisions, decisions – über Prokrastination und Entscheidungsunfreudigkeit

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und was du dagegen tun kannst

Es ist kurz vor 7. Ich stehe vor dem Spiegel und begutachte die Schuhe an meinen Füßen. Ein nahezu identisches Paar steht hinter mir auf seinem Karton auf dem Boden. Ich habe in der letzten halben Stunde mindestens 5 Mal von Schuhpaar Nummer 1 auf Schuhpaar Nummer 2 gewechselt und bin unschlüssig, welches der lächerlich gleich aussehenden Schuhe ich nun mit nach Hause nehmen soll. Wieso kann ich nicht einfach eine Entscheidung treffen? Während ich ratlos vor dem Spiegel stehe und überlege, ob ich doch noch mal die anderen Schuhe anprobieren soll, kommt eine Verkäuferin angeschwebt und zeigt mir ein weiteres Paar, dass wunderschön aber bis auf wenige Details exakt so aussieht wie Schuh 1 und 2. Ich möchte weinen. Oder sie anschreien und fragen ob sie wahnsinnig geworden ist und ob sie heute eigentlich pünktlich schließen will.

Die Qual der Wahl

Entscheidungen zu treffen treibt mich in den Wahnsinn. Ich kann mich nämlich nicht mal eben zwischen zwei Optionen entscheiden, wie jeder normale Mensch das kann. Das erfordert eine Pro und Contra Liste, mehrfaches Befragen meines Bauchgefühls, eine Umfrage meines Familien-, Freundes- und Bekanntenkreises und überhaupt sehr viel Zeit. Je mehr Optionen, umso schwieriger die Entscheidung. Das fängt schon bei so simplen Dingen wie der Wahl zwischen zwei ähnlichen Schuhpaaren an. Wie oft habe ich schon völlig frustriert und unzufrieden mit mir selbst den Laden verlassen und die Entscheidung verschoben. Ich könnte ja nochmal drüber schlafen. Oder im Internet recherchieren. Oder vielleicht nehme ich beim nächsten Mal einfach noch meine Schwester, meine beste Freundin, meinen Mann und meine Mutter als Beratung mit.

Größere Kaufentscheidungen sind noch schlimmer. Um zu einer Entscheidung zu kommen, schreibe ich eine Doktorarbeit. Bevor ich ein Hotel buche, lese ich die Reviews der letzten 6 Monate auf allen gängigen Buchungsportalen UND suche nach Blogposts über das Hotel – ich will schließlich sicher sein, dass ich mich auch wirklich auf den Urlaub freuen kann. Bevor ich eine neue Kamera kaufe, studiere ich die Meinung von Stiftung Warentest, schaue mir Reviews auf Youtube an und erstelle eine Exceltabelle, um die verschiedenen Modelle anhand zuvor gewählter Kriterien miteinander zu vergleichen.

Wenn dein Mann dir irgendwann stolz einen Orden verleiht, weil du eine Entscheidung in weniger als der üblicherweise benötigten Zeit getroffen hast, dann solltest du dir Gedanken machen. Also in diesem Fall ich.

Warum ist das so?

Perfektionismus
Die Entscheidung soll ideal sein. Auf keinen Fall möchte man in die Lage kommen sich zu fragen, ob die andere Option nicht doch die bessere Wahl gewesen wäre. Wir wollen die Vorteile aller Optionen aber nicht auch die Konsequenzen unserer Entscheidung tragen.

Zweifel
Schlimmer ist aber Reue, nämlich wenn man WEIß, dass man sich falsch entschieden hat. Blöd ist, dass diese Erkenntnis immer erst nach der Entscheidung geliefert wird.

Verantwortung
Man will Kontrolle aber die Verantwortung für seine Entscheidungen am liebsten nicht. Deshalb fragt man lieber Gott und die Welt um Rat und hofft, dass einem jemand die Entscheidung abnimmt. Im Zweifel erhält man aber 100 verschiedene Meinungen und ist kein Stück weiter. Und selbst wenn die befragten Personen überwiegend die gleiche Ansicht teilen, ist man nicht zwangsläufig von dieser überzeugt. Eigentlich ist man viel mehr auf der Suche nach jemandem, der einem mit einem guten Argument das eigene Bauchgefühl bestätigt.

Bis wir 18 sind können wir es kaum erwarten endlich alles allein entscheiden zu dürfen. Wir wollen endlich über unser Leben bestimmen und uns nicht mehr rechtfertigen müssen. Kaum sind wir dann aber volljährig, taucht ein ganzer Berg an Verantwortung vor uns auf, den wir jeden Tag aufs Neue bewältigen sollen. Aber der Aufstieg sieht so verdammt anstrengend aus.

Und er wird immer anstrengender. Damals war unser Lebensweg vorgegeben: Schule, Ausbildung, Familie, ein Reihenhaus in der Vorstadt. Allein schon aus finanziellen Gründen gab es nicht wahnsinnig viele Möglichkeiten. Heute dagegen scheint alles möglich. Wir können zwischen 14.500 Studiengängen oder einer Ausbildung wählen. Wir müssen nicht mehr bis zur Rente im  erlernten Beruf arbeiten und können beliebig oft den Arbeitgeber wechseln. Vielleicht möchte man statt einer Familie lieber Karriere machen oder die Welt bereisen. Alles kann, nichts muss.

Prokrastination

Immer, wenn ich mich überfordert fühle, vertage ich die Entscheidung auf später. Vielleicht stellt sich das entsprechende Gefühl ja noch ein oder das Schicksal sendet mir ein Zeichen. Das Zeichen sieht meist so aus, dass wenigstens eine, wenn nicht sogar alle Optionen nicht mehr verfügbar sind oder die Konditionen sich derart ungünstig verändert haben, dass nichts mehr in Frage kommt. Es erfordert schon zeitlichen Druck damit ich endlich gezwungen bin mich zu entscheiden und nicht weiter zwischen A, B und C hin und her springe. In der Zwischenzeit ist der Kopf aber nicht frei, sondern in der hintersten Ecke weiterhin mit dem Thema beschäftigt. Das kostet Energie und Zufriedenheit.

 

tomorrow (noun)  

a mystical land,

where 99% of all human productivity,

motivation and achievement

is stored

 

Am schwierigsten ist es, lebensverändernde Entscheidungen zu treffen. Denn für das Leben gibt es kein Review. Wir können nicht vorher eruieren ob heiraten, eine Familie gründen, dieser oder jene Job, die Wohnung in der Stadt oder das Haus auf dem Land besser zu uns passen und uns glücklicher machen. Alles geht nicht. Wir wollen die Vorteile aller Optionen aber nicht die Konsequenzen unserer Entscheidung tragen. Denn die Entscheidung für etwas ist auch gleichzeitig die Entscheidung gegen etwas.



5 Tipps um schneller Entscheidungen zu treffen

Druck rausnehmen
Es könnte immer noch etwas besseres kommen, nicht wahr? Doch die perfekte Entscheidung gibt es nicht. Alles hat Vor- und Nachteile. Mach dir bewusst, dass sich fast alle Entscheidungen im Zweifel rückgängig machen lassen. Wenn du aufs Land gezogen bist und feststellst, dass du dich dort nicht so wohl fühlst, wie du gehofft hast, kannst du dir wieder eine Wohnung in der Stadt suchen. Wenn dir dein Job nicht gefällt, musst du dort nicht bis zur Rente ausharren. Du kannst dir einen neuen Job suchen. Und wenn du dich für das falsche Paar Schuhe entschieden hast, kannst du es umtauschen. Nur Kinder kann man nicht zurückgeben. Mir ist allerdings auch noch keine Mutter begegnet, die das ernsthaft in Erwägung gezogen hätte.

Du kannst alles haben, aber nicht alles auf einmal
Wirklich wahr! Du kannst Karriere machen und trotzdem eine Familie gründen. Du kannst um die Welt reisen und trotzdem sesshaft werden. Nur eben nicht gleichzeitig. Du musst dich bloß für die Reihenfolge entscheiden. Und nicht immer ist die offensichtliche Lösung auch die einzige Lösung.

Jede Entscheidung bringt dich weiter
Sogar in mehrfacher Hinsicht. Entweder, die Entscheidung führt zu einer positiven Veränderung, einer neutralen Veränderung oder einer negativen Veränderung. Wie kann dich eine negative Veränderung weiter bringen? Nun, du lernst etwas wertvolles dazu! Nämlich: Was du nicht willst, was nicht zu dir passt oder wie man es nicht macht. Egal wie du dich entscheidest, du kannst nur gewinnen. Selbst wenn es nur Erfahrung oder Selbsterkenntnis ist, die du gewinnst. Denn sich nicht zu entscheiden, ist auch eine Entscheidung und zwar die für Stillstand. Besser ist es, auch mal falsch zu entscheiden aber wenigstens selbst gewählt zu haben. Keine Entscheidung ist so falsch, wie keine Entscheidung!

Realität-Check
Wie weitreichend sind die Auswirkungen deiner Entscheidung? Wird es dich in einer Woche, einem Monat oder einem Jahr noch kümmern, wie du dich heute entschieden hast? (Im Fall von Schuhen lautet die Antwort eindeutig NEIN.) Das befürchtete Gefühl bei einer Fehlentscheidung ist oft gar nicht so dramatisch oder unerträglich. Bei großen Entscheidungen hilft es auch sich zu fragen: Hilft es mir dabei meine Big Five zu erreichen? Wer das Buch von John Strelecky* nicht gelesen hat: Die Big Five for life sind deine ganz persönlichen Lebensziele. Dinge, die deinen Sinn des Lebens ausmachen. Ein absolut empfehlenswertes Buch!

Lerne deinem Bauchgefühl zu vertrauen

Damit sind nicht akute Gelüste (wie Heißhunger auf Schokolade oder Chips) gemeint, sondern der erste Impuls bei einer bevorstehenden Entscheidung. Dein Bauch weiß bereits im ersten Moment, wie er sich entscheiden möchte. Aber dann kommt unser Hirn und liefert erstmal viele rationale Argumente, die dagegen sprechen könnten. Es will uns beschützen und analysiert daher alle Optionen. Verwirrung und Zweifel machen sich breit. Wir beginnen Informationen zu sammeln und Vor- und Nachteile gegeneinander abzuwägen. Vor lauter Rationalität wird das Bauchgefühl irgendwann immer leiser, bis es sich beleidigt in die Ecke setzt und schmollt.

Mein Hirn-Bodyguard ist äußerst gut trainiert. Sobald mein Bauch auch nur zögerlich die Hand hebt, steht er auf und hat sofort ein paar schlagende Argumente parat.

Die meisten von uns haben verlernt, auf ihr Bauchgefühl zu hören. Stattdessen wissen sie sehr genau, wer, was, wann von ihnen erwartet. Und sie sind Experten darin Argumente dafür zu finden, dass der von den Eltern oder der Gesellschaft gewollte Weg auch der Richtige ist. Sie sind unzufrieden und häufig sogar unglücklich, können dieses omnipräsente, unterschwellige Gefühl aber selten erklären.

Das Bauchgefühl ist wie ein Muskel, den man trainieren kann. Das gelingt am einfachsten bei so unwichtigen Entscheidungen wie die für ein paar Schuhe. Ist dir mal aufgefallen, dass man sich letztendlich sehr häufig für die Option entschieden hat, die der Bauch in Sekunde 1 vorschlug? Wäre er nachtragend würde er dann sagen: Hab ich doch gleich gesagt!

Falls dein Bauchgefühl nur noch die Größe eines Reiskorns hat und du gar nicht weißt, wie du es finden sollst: Es macht sich meist durch somatische Reaktionen bemerkbar. Das kann ein leichtes Kribbeln, ein warmes Gefühl, ein Kloß im Hals oder schwitzige Hände sein. Manchmal ist es auch schlichtweg der erste Gedanke, der uns durch den Kopf schießt wenn wir uns eine Frage stellen.

Es gibt diese Situationen – und sie können ganz banal sein- da scheint unsere innere Stimme verstummt zu sein. Wir können sie zumindest nicht hören. Wenn das passiert kannst du dir so helfen:

  1. Wirf eine Münze und schau, worauf du hoffst.ODER
  2. Triff eine Entscheidung und prüfe sofort, wie du dich damit fühlst. Kommt dir sofort die andere Option wieder in den Sinn oder stellt sich Erleichterung ein?

Bestimmt gibt es auch Entscheidungen, bei denen man sich etwas Zeit lassen muss. Dann schreibt man eine Pro und Contra Liste, bespricht die Optionen mit Gott und der Welt und schläft 1 bis 10 Nächte darüber. Eigentlich suchen wir aber keine rationalen Gründe, sondern eine Bestätigung unseres Bauchgefühls! Ich will damit nicht sagen, dass unser Verstand nicht wichtig ist, aber beides muss im Gleichgewicht sein.

Wenn wir glücklich sein wollen, ist es am Ende doch immer unser Bauch, der entscheidet.
Denn er weiß am besten, was gut für uns ist.

Selbst wenn es nur ein neues Paar Schuhe ist.

 

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6 Kommentare

  1. 25. August 2019 / 8:26 pm

    Was für ein toller Post! Du sprichst mir aus der Seele! Mir fällt es auch wahnsinnig schwer, Entscheidungen zu treffen – egal in welcher Größenordnung!
    Ich selbst bin der Meinung, dass das an vielen Faktoren hängt: wir werden heutzutage einfach viel mehr beeinflusst, haben eine schier unendliche Auswahl und wollen doch eigentlich nur eines: das richtige. Früher war es wohl einfacher: es gab einen Schuhladen, einen Fachmarkt für Elektronik und eine Zeitung für Wohnungssuche. Was man da schon an Zeitersparnis hatte??
    Wie soll man denn heute mit der Masse an Möglichkeiten erstmal den richtigen Anbieter und dann auch noch die richtige Auswahl treffen?
    Aber am Ende machen wir immer noch das gleiche: wir hören auf unser Bauchgefühl 🙂

    Ganz toller Post und wunderschöne Bilder Liebes!

  2. Ria
    25. August 2019 / 9:45 pm

    Wow einfach nur Wow. So ist das!
    Mehr muss ich nicht sagen.

  3. Christina
    26. August 2019 / 5:23 pm

    Ein Wort beschreibt deinen post: AMEN !!!
    Ich unterschreibe jedes Wort und jeden Satz von Dir. Du triffst 100% ins Schwarze.
    Xoxo Christina.1303

  4. 30. August 2019 / 2:43 pm

    Ein wirklich toller Beitrag in dem ich mich an ein paar Stellen wieder gefunden habe. Bei mir ist es aber eher das Problem der kleine Entscheidungen. Die großen gehen mir meist wirklich einfacher von der Hand als die Frage nach dem „Was esse ich heute?“ oder „Was erledige ich als erstes?“
    Grundsätzlich finde ich es aber gut, dass du dir vor großen Entscheidungen eine Pro & Contra Liste machst. Man muss dafür eben nur das gesunde Maß finden.

    Liebe Grüße, Milli
    (https://www.millilovesfashion.de)

  5. 15. Oktober 2019 / 6:54 pm

    Ich kann das einfach so gut nachvollziehen, ich kann mich auch immer richtig schlecht entscheiden und das bei allem. Mein Partner und ich wollen uns schon länger eine neue Küche zulegen und ich bin bei jedem Teil so unentschlossen 😀 Ich bin mir nicht sicher, welche Farbe ich will, welche Arbeitsplatte, welche Spülmaschine… Ich habe einfach immer Angst, dass die Entscheidung falsch ist und ich dann unglücklich bin 😀 Auch beim Shoppen oder wenn es ums Essen geht denke ich lieber eine Stunde zu viel als eine zu wenig darüber nach 😀 Ich bin echt froh, dass ich nicht die einzige bin, der es so ergeht und deine Tipps hören sich wirklich gut an, sollte ich auch mal öfter umsetzen 😀
    Ganz liebe Grüße an dich
    -Alina
    (http://alina-jx.com/)

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